Mental stark wie Roger Federer – Teil 2
von lukas | März 17, 2023 | Allgemein |
3. Emotionsregulation
In der Reportage wird Roger Federers anfänglich größte Erfolgshürde aufgegriffen: seine emotionalen Wutausbrüche, die er nicht im Griff hatte. In „Roger Federer: Der Maestro. Die Biografie” erwähnt er: „Ich wusste stets genau, wie ich erfolgreich spielen sollte; deshalb machten mich Misserfolge oft wütend.” Federer erklärt, dass es in ihm zwei Stimmen gegeben habe – den Engel und den Teufel – und dass die eine nicht glauben konnte, wie dumm die andere sein konnte. Wenn ihm die eine Stimme vorwarf, wie er eine vermeidbare Niederlage kassieren konnte, explodierte er wutentbrannt.
Diese Problematik der fehlenden Selbstbeherrschung ist unter jungen Sportler*innen weitverbreitet und ist nicht zuletzt auf eine mangelhaft antrainierte Impulskontrolle zurückzuführen. Auch verinnerlichte Werte und Glaubenssätze, allen voran „Ich bin nicht gut genug”, spielen dabei eine entscheidende Rolle. Fehler zu machen und Niederlagen zu kassieren, werden in unserer leistungsorientierten Gesellschaft typischerweise als schwach gesehen, statt sie ehrlich zu hinterfragen und sie als Verbesserungsgrundlage zu nutzen. Emotionale Ausbrüche widerspiegeln in vielen Fällen einen inneren Kampf gegen den „Teufel der Unzulänglichkeit”, aber auch das fehlende Verständnis, wie mit geballten Emotionen richtig umzugehen ist.
Im Mentoring von jungen, aber auch erfahrenen und sehr erfolgreichen Sportler*innen verwende ich ein von mir entwickeltes Modell, um die emotionale Beherrschung erfolgreich zu erlernen. In einer Grafik bestehend aus zwei Dreiecken werden sowohl die Standards für den langanhaltenden Erfolg als auch Denk- und Verhaltensweisen, die zum Misserfolg führen, aufgezeigt.
In der Reportage untermauert Lynette Federer die positiven Auswirkungen, wenn Sportler*innen lernen, ihre Emotionen im Griff zu halten: „Im Moment, wo Roger sein Verhalten auf dem Platz unter Kontrolle hatte, kamen Siege fast automatisch.” In den folgenden Jahren entwickelte sich Roger Federer nicht nur zu einem mental sehr starken Spieler, sondern ging auch mit Niederlagen souverän um. Diese Charaktereigenschaft ist ebenso wenig angeboren wie mentale Stärke, doch beide bilden das Fundament für herausragende Leistungen.
4. Selbstverantwortung
Roger Federers Umgang mit Rückschlägen ist bemerkenswert, wobei eine Tatsache besonders heraussticht: sein Grad an Eigenverantwortung. Als Federer 2008 sein sechstes Wimbledon-Finale in Folge gegen Rafael Nadal verlor, litt er an Pfeifferschem Drüsenfieber. Roger hätte diesen Umstand bequem als Ausrede benutzen können, erwähnte dies aber explizit nicht. Volle Verantwortung für sich selbst zu übernehmen, ist eine Eigenschaft, die junge Sportler*innen nicht früh genug lernen können, denn die Gewohnheit, äußeren Faktoren oder Mitmenschen die Schuld am Versagen zuzuschieben, wuchert in unserer Gesellschaft wie Unkraut. So befreiend das Abschieben der Selbstverantwortung anfänglich erscheinen mag, führt es langfristig verlässlich zu Misserfolgen.
5. Umgang mit Druck
Selbstverantwortung spielt auch eine zentrale Rolle im Umgang mit Druck. In der Reportage erwähnt Lleyton Hewitt, dass Roger Federer mit dem Druck, der Beste zu sein, schon früh erfolgreich umgehen konnte.
In meinem Buch „In dir steckt Großartigkeit” zeige ich auf, dass uns keine Form von Druck jemals erdrücken kann, ohne dass wir es selbst zulassen. Das mag für die meisten provokativ klingen, doch die Ursache des Drucks liegt tatsächlich in uns selbst. In erster Linie geht es um die Neudefinition des erlebten Drucks, also um die Frage, wie wir Lebenssituationen, die uns gefühlt unter Druck setzen, anders sehen können.
Überflieger wie Roger Federer wählen – bewusst oder unbewusst – einen anderen Weg, wodurch sie Situationen, in denen andere Sportler*innen unter dem Druck zusammenbrechen, förmlich als Sprungbrett für Höchstleistungen nutzen können. Hier schließt sich der Kreis: belastender Druck geht einher mit einer stark subjektiv erlebten Sicht der Dinge. Mit anderen Worten hängt Druck eng mit den Emotionen zusammen, die wir einer Situation beimessen. Ein wesentlicher Faktor ist dabei der Grad an emotionaler Involvierung. Je mehr ein Sportler sich mit einer Niederlage oder seinem Erfolg identifiziert, desto größer ist die Gefahr, dass er unter der Last zusammenbricht.
Roger Federer ist trotz seiner enormen Erfolge bodenständig geblieben, was aus meiner Sicht eng damit zusammenhängt, dass er sich als Mensch nie über seine Erfolge oder Misserfolge definiert hat bzw. weiterhin definiert.
Weiter geht´s im dritten Teil.
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